Im Rahmen der Aktionstage Behindertenrechte organisierte Procap Zentralschweiz als Auftaktveranstaltung eine Podiumsdiskussion. Auffallend an diesem Podium war, dass sämtliche Podiumsteilnehmenden eine Behinderung haben. Denn um sie geht es, wenn wir zurückschauen auf 20 Jahre Behindertengleichstellungsgesetz und 10 Jahre Behindertenrechtskonvention der UNO BRK. Ob dies ein Grund zum Feiern sei – diese Frage stand dabei im Raum.
Die höchste Luzernerin Judith Schmutz richtete das Grusswort an die zahlreichen Gäste aus Politik, Dienststellen und Selbstbetroffenen. Sie zeigte sich selbstkritisch: «Wir hatten 20 Jahre Zeit, um das Behindertengleichstellungsgesetz umzusetzen und gerade im Bereich des öffentlichen Verkehrs sind wir in Verzug. Erst 20% aller Haltestellen im Kanton Luzern sind barrierefrei zugänglich!»
Die Selbstbetroffenen auf dem Podium diskutierten über Bildung, Arbeit, öffentlicher Verkehr und Gesundheitswesen. Siril Wallimann ist vor acht Jahren aufgrund eines bösartigen Tumors erblindet und studiert nun Psychologie in Teilzeit. Sie sagte in vieler Leben, so auch in ihrem davor, sei das Thema Behinderung und all die Stolpersteine nicht präsent gewesen. Sie sensibilisiere Schulklassen auf das Thema und sei überzeugt: «Wenn Kinder wissen, auf was sie in Begegnungen mit einer blinden Person achten sollen, wird unsere Gesellschaft in Zukunft inklusiver.»
Patrick Mock, gehörlos, erkennt kaum Veränderungen in den letzten Jahren. Es würde viel sensibilisiert und das Thema Behinderung rücke mehr in den Fokus. Jedoch Veränderungen in der Politik sehe er wenig.
Die Autismus-Diagnose erhielt Erika Spring erst mit 40 Jahren. Sie gebe Menschen im Autismus Spektrum eine Stimme, die sonst nicht gehört werden. Dies motiviere sie sich aktivistisch zu engagieren.
Cyrill Scheuber sitzt im Rollstuhl und ist täglich mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs. Er berichtete über den Missstand, dass man einen Zug eine Stunde und bei fehlenden barrierefreien Bahnhöfen den Shuttlebus zwei Stunden vorher anmelden müsse. Da fehle jede Spontanität.
Einig waren sich die Anwesenden im Südpol, dass Veränderung zwar passieren, jedoch viel zu langsam. Ein Einstehen für die Rechte von Menschen mit Behinderung gelinge nur gemeinsam. Sie alle wünschen sich sichtbare Schritte vorwärts in Richtung Inklusion und Gleichstellung.
Die Schweiz feiert 20 Jahre Behindertengleichstellungsgesetz und 10 Jahre UNO-Behindertenrechtskonvention. Überall finden Aktionen für die Bevölkerung statt, initiiert und organisiert von Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen sowie von Behörden. Die Schweiz setzt damit ein starkes Zeichen für Gleichstellung, Partizipation und Zugänglichkeit.
Im Kanton Luzern finden während den nationalen Aktionstagen Behindertenrechte vom 15. Mai bis am 15. Juni 2024 72 Aktionen statt. Mit diesem Aktionsmonat feiert die Schweiz das zehnjährige Jubiläum der Ratifizierung der UNO-Behindertenrechtskonvention und das zwanzigjährige Jubiläum des Behindertengleichstellungsgesetzes. Die Aktionen schaffen Begegnungen von Personen mit oder ohne Behinderungen.
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Text: Nadja Stadelmann I Procap Zentralschweiz I nadja.stadelmann@procap.ch
Fotos: Anja Kiser